IG Lebendiger Fluss
Aqua Viva setzt sich mit dem Projekt «IG Lebendiger Fluss» für mehr Biodiversität, naturnahe und erlebbare Lebensräume und besseren Hochwasserschutz entlang der Flüsse der Schweiz ein. Mit Unterstützung der Somaha Stiftung vernetzen wir regionale Akteure und helfen bei der Gründung und Etablierung von Interessengemeinschaften. Unser Ziel ist es, ein schweizweites Netzwerk aus IGs zu etablieren, das sich vor Ort für lebendige Flüsse engagiert und untereinander Wissen und Erfahrungen austauscht.
Die Flüsse und Bäche der Schweiz sind stark vom Menschen geprägt. Sie wurden begradigt, eingedämmt, aufgestaut und unter die Erde verlegt. Dabei sind natürliche Lebensräume verlorengegangen und viele Gewässer können nicht mehr alle ihrer Funktionen erfüllen. Dazu zählen die Bereitstellung von Nahrung, Trink- und Brauchwasser, die Minderung von Naturgefahren, die Funktion als Erholungs- und Bildungsort und funktionierende Nährstoffkreisläufe. Daher ist es wichtig, verbleibende, natürliche Lebensräume zu schützen oder Abschnitte von Fliessgewässern zu revitalisieren. Etliche Kantone und Gemeinden planen aufgrund der Vorgaben des revidierten Gewässerschutzgesetzes aktuell Hochwasserschutz- und Revitalisierungsprojekte. Dies ist eine grosse Chance für unsere Gewässer.
Mit dem Projekt «IG Lebendiger Fluss» bieten wir engagierten Organisationen und Einzelpersonen, unter anderem aus den Bereichen Naturschutz und Fischerei, die Möglichkeit, vor Ort ihre Kräfte zu bündeln und eigenständig agierende Interessengemeinschaften (IGs) zu gründen. Auf diese Weise können die Menschen vor Ort gehört, lokales Wissen bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt und Projekte im Sinne der Gewässerökologie umgesetzt werden. Zudem schaffen Aqua Viva und die Somaha-Stiftung die Dachorganisation «IG Lebendiger Fluss», welche die lokalen IGs inhaltlich und organisatorisch unterstützt sowie den Austausch untereinander ermöglicht.
Wichtige Funktionen unserer Gewässer
Regionale Interessengemeinschaften können helfen, damit unsere Flüsse ihre vielfältigen Funktionen und Ökosystemdienstleistungen weiterhin oder wieder erbringen können.
«Die Menschen vor Ort wissen am besten, wo ihre Flüsse besonders artenreich und wertvoll sind. Wenn sie sich zusammenschliessen und für die Interessen lebendiger Gewässer einstehen, können ganze Regionen von besserem Hochwasserschutz, grosser Artenvielfalt und Naherholung in einer intakten Natur profitieren.»
Salome Steiner, Geschäftsleiterin Aqua Viva
Gute Gründe für Interessengemeinschaften
Der ökologische Zustand vieler Flüsse in der Schweiz ist besorgniserregend. Der Verlust von Lebensräumen und Biodiversität, der Klimawandel, unzureichender Hochwasserschutz und das Fehlen von Naherholungsgebieten sind wichtige Gründe, unsere Flüsse zu schützen und ökologisch aufzuwerten – zum Vorteil von Mensch und Natur. Lokale Interessengemeinschaften können mit dem Begleiten oder Anstossen von Projekten eine Schlüsselrolle spielen und dazu beitragen, die ökologischen Funktionen unserer Flüsse langfristig zu sichern.
Durch die Begradigung und Verbauung von Flüssen und ihrer Zuflüsse sind viele natürliche Lebensräume verloren gegangen. Heuten gelten 97.5 Prozent der Lebensraumtypen, die ans Wasser gebunden sind, als bedroht oder potentiell gefährdet. IGs können Revitalisierungprojekte, welche solche Lebensräume wiederherstellen, mit ihrem Fachwissen anregen und begleiten.
Rund 65 Prozent der ans Gewässer gebundenen Arten gelten in der Schweiz als bedroht oder potentiell gefährdet. Massnahmen, die ihre Lebensräume wiederherstellen, artenspezifische Massnahmen oder auch Sensibilisierungskampagnen helfen, sie zu schützen und zu fördern.
Höhere Temperaturen und sinkende Abflussmengen während Hitzeperioden im Sommer setzen Fischen und anderen Wasserlebewesen zu. Um sie zu schützen, braucht es Anpassungen der Fliessgewässer und ihrer Ufer an den Klimwandel. Wichtig sind zum Beispiel die Beschattung von Bächen oder das Schaffen von tiefen Stellen, in denen das Wasser kühl bleibt.
Stauwehre, Schwellen und andere Querbauwerke in Fliessgewässern behindern die Wanderung von Fischen und einen natürlichen Geschiebehaushalt. Durch den Betrieb von Wasserkraftwerken entstehen ausserdem Restwasserstrecken, in denen Fische schlechtere Lebensbedingungen vorfinden. Laut revidiertem Gewässerschutzgesetz ist bei vielen Wasserkraftwerken eine Sanierung Fischgängigkeit sowie eine Sanierung der Restwasserstrecken nötig. IGs können solche Projekte begleiten, um ein für die Natur bestmögliches Ergebnis zu erzielen.
Im Zuge des Klimawandels treten immer häufiger Starkregen- oder Dauerregenereignisse auf. Unsere begradigten und eingedämmten Flüsse sind den dadurch entstehenden Hochwassermengen nicht mehr gewachsen. Flüsse und Bäche treten immer häufiger über die Ufer und verursachen erhebliche Schäden. Revitalisierungsprojekte, die den Flüssen wieder mehr Raum geben, sind daher eine entscheidende Massnahme. Sie verbessern dabei nicht nur den Hochwasserschutz, sondern stellen auch wertvolle Lebensräume und Naherholungsgebiete wieder her. Die Interessengemeinschaften sind wichtige Akteur:innen bei der Erarbeitung von Massnahmen für Hochwasserschutz, da sie die Auswirkungen von Hochwasser selbst erleben.
Gewässer spielen für Freizeitaktivitäten und als Ort der Erholung eine wichtige Rolle im Leben der Menschen. Bei Projekten rund um unsere Gewässer ist es daher von grosser Bedeutung, nicht nur die Förderung von Lebensräumen und Biodiversität in den Fokus zu rücken, sondern auch einen Zugang für die Bevölkerung zu gewährleisten, um die Gewässer erlebbar zu machen. Die IGs können als Verbindung zur lokalen Bevölkerung bei der Projektumsetzung agieren und die Bedürfnisse der Ansässigen einbringen.
Viele Fliessgewässer, vor allem kleinere, sind in der Schweiz mit Giftstoffen oder mit hohen Nährstoffkonzentrationen belastet. Für eine gute Wasserqualität und gute Lebensbedingungen für Wasserlebewesen, braucht es Schutzmassnahmen. In ausgeschiedenen Gewässerräumen darf zum Beispiel nur extensiv bewirtschaftet werden. IGs können einen besonderes Augenmerk auf die Qualität der Gewässer leben.
Die lokalen Organisationen – und damit die lokale Bevölkerung – kennen die Flüsse, an denen sie aktiv sind und leben, am besten und sind daher am besten in der Lage, für deren Aufwertung und Schutz zu sorgen.
Durch die Gründung von Interessengemeinschaften können die Aktivitäten und Interessen rund um die Gewässerökologie inklusive die Behebung von Defiziten besser aufeinander abgestimmt werden, sodass Massnahmen entlang des gesamten Flusslaufs – vom Oberlauf bis zum Unterlauf – miteinander harmonieren.
Unsere Aktivitäten und Angebote
Mit dem Fluss IG Lebendiger Fluss etablieren wir eine durchsetzungsstarke, gut vernetzte Interessenvertretung für den Gewässerschutz, die die Interessen der Gewässer und Umwelt vertritt. Dafür setzen wir uns mit vielfältigen Aktivitäten ein.
Vernetzen
Wir vernetzen Akteure in Einzugsgebieten von Flüssen und helfen ihnen dabei, IGs zu gründen.
Wissensplattform
Wir entwickeln eine Plattform für den Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen den IGs.
Netzwerktreffen
Wir organisieren ein jährliches Treffen für den Austausch zwischen den schweizweit aktiven IGs.
Unterstützung
Wir unterstützen die IGs fachlich bei konkreten Projekten, bei Sensibilisierungskampagnen und bei der Beschaffung von Mitteln.
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Gründung der IG Lebendige Emme
Die IG Lebendige Emme ist die erste IG, die im Rahmen vom Projekt «IG Lebendiger Fluss» gegründet wurde. 13 Lokale Umwelt- und Fischereiverbände haben sich 2024 zusammengeschlossen, um die Interessen der Emme für Natur und Mensch zu vertreten.
- Im Oberlauf ist die Emme noch ein weitestgehend naturnaher, wilder Bergbach und fliesst durch die eindrückliche Rebloch-Schlucht. © Gianni Baumann
- Die Emme ist vom Ober- bis zum Unterlauf ein wichtiges Ziel für Erholungssuchende. Auch deren Interessen spielen bei der IG Lebendige Emme eine wichtige Rolle, denn ein naturnaher Fluss ist auch für die Bevölkerung attraktiv. © Gianni Baumann
- Wehre oder Schwellen wie in Lauperswil BE verhindern die freie Fischwanderung in der Emme. Die IG Lebendige wird auch in Projekten zur Sanierung Wasserkraft mitwirken um eine bessere Fischgängigkeit der Emme zu erreichen. © Gianni Baumann
- Im Revitalisierungsprojekt «Ämmeschache-Urtenesumpf» wurde ein Abschnitt der Emme in den Gemeinden Utzenstorf BE und Bätterkinden BE wieder zum Leben erweckt. Weitere solche Projekte sind wichtig für den Erhalt der Artenvielfalt und den Hochwasserschutz. © Gianni Baumann
Vorbild: IG Lebendige Thur
Vorbild für das Projekt «IG Lebendiger Fluss» ist die IG Lebendige Thur. Sie wurde 2018 vor dem Hintergrund der geänderten Gewässerschutzgesetzgebung gegründet und setzt sich seitdem für die Interessen der Thur ein. Aqua Viva, der WWF, Pro Natura, BirdLife sowie die Fischereiverbände des Kantons St. Gallen und Thurgau sind Mitglied in der IG Lebendige Thur. Unsere Vision ist es, die Thur wieder zu einem attraktiven und lebendigen Lebensraum zu machen, zum Beispiel bei Niederbüren.