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Faszinierende Vielfalt
Über 80 Prozent der bekannten 45 000 Tier- und Pflanzenarten der Schweiz kommen in Gewässern und direkt anliegenden Gewässerräumen vor - ein wahrer Hotspot der Artenvielfalt und für uns Menschen unendlich wertvoll: Biodiversität inspiriert, schütz, ernährt und macht glücklich. Doch bei allem was die Natur uns gibt, braucht sie auch unsere Hilfe. Nur noch fünf Prozent des Schweizer Gewässernetzes gilt als intakt. Die Schweiz hat weltweit die vierthöchste Zahl an ausgestorbenen Fischarten und viele Arten gelten als bedroht.
Im Folgenden berichten wir über die Fazination der Artenvielfalt in und entlang unserer Gewässer. Ausserdem erfahren Sie, wie es um die Biodiversität in unseren Gewässern steht, warum wir sie schützen und fördern sollten und was Aqua Viva dafür tut.
Aqua Viva kämpft seit über 60 Jahren für den Erhalt der letzten intakten Gewässerlebensräume und ihrer Artenvielfalt. Bitte unterstützen Sie unser Engagement mit einer Spende.
«Einmal gepackt, lässt uns die Fazination der Gewässerlebewesen nicht mehr los. Selbst hinter kleinsten Arten wie der Wasserspinne stecken unglaubliche Geschichten.»
Salome Steiner, Geschäftsleiterin Aqua Viva
Artenportraits
Hinter dem sperringen Begriff Biodiversität verbergen sich unzählbar viele Geschichten, wie sie spannender kaum sein könnten. Wir erzählen einige davon in unseren Artenporträts:
Wasseramsel
Wasserfalle
Tiefseesaibling
Flussuferläufer
Dreieckskopf-Strudelwurm
Europäische Sumpfschildkröte
Gelbbauchunke
Wasserspinne
Hecht
Wasserspitzmaus
Geburtshelferkröte
Bachneunauge
Gemeine Eintagsfliege
Wir sollten die Biodiversität schützen, ...
Es gibt viele gute Gründe, warum Menschen Biodiversität wertschätzen. Oft stehen Leistungen im Vordergrund, die eine intakte Biodiversität der Gesellschaft liefert bspw. in Form von stabilen Umweltbedingungen, Rohstoffen oder Nahrung. Biodiversität macht aber auch glücklich und hat einen Wert jenseits aller menschlichen Bedürfnisse. Bei Entscheidungen zur Nutzung der Natur sollten wir alle diese Gründe berücksichtigen.
von Eva Spehn
In der Umweltethik wird allen Tieren, Pflanzen und sonstigen Mitlebewesen ein «Wert an sich» eingeräumt unabhängig von uns Menschen. Wir sollten demnach aus der Perspektive der Moral zunächst einmal alles wertschätzen – und nicht umgekehrt, zunächst die Wertlosigkeit der Mitwelt annehmen und erst dann nach Gründen für den Wert bestimmter Naturdinge suchen (Gorke 2010). Häufig wird der Selbstwert der Natur als Verpflichtung zu einem respektvollen Umgang mit der Mitwelt verstanden. Allerdings werden hier verschiedentlich Unterscheidungen getroffen: Geht es um den Selbstwert der Existenz alles Existierenden, von Ökosystemen, von allem Lebendigen oder «nur» aller schmerzempfindlichen Wesen (Potthast 2021)?
Die Erhaltung und Förderung der biologischen Vielfalt ist von zentraler Bedeutung für die Erreichung der Ziele der UNO-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Biodiversität ist mit Herausforderungen wie Armutsbekämpfung, Ernährungssicherheit, Klimawandel und Wirtschaftsentwicklung eng verknüpft (Obrecht et al. 2021). Um diese anzugehen, braucht es die Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft sowie einen transformativen Wandel in allen Gesellschaftsbereichen (Messerli 2019) – wir müssen den Wohlstand neu erfinden (Payne & Messerli 2021)!
Der Schutz der Biodiversität ist im nationalen und internationalen Recht verpflichtend verankert. Das schweizerische Recht fokussiert aber stark auf isolierte Gebiete statt auf eine grossräumige Vernetzung intakter aquatischer und terrestrischer Lebensräume und noch zu wenig auf problematische Ursachen des Biodiversitätsverlustes (z.B. Versiegelung der Böden, Intensivlandwirtschaft mit Pestiziden, Wasserkraftnutzung, Klimawandel). Erschwerend treten teilweise gravierende Vollzugsmängel hinzu. Aus diesen Gründen besteht auch in politischer und rechtlicher Hinsicht dringender Handlungsbedarf (Bütler & Weber 2021).
Zukunftsfähig sind Pflanzen, Tiere und andere Organismen, wenn sie sich evolutiv anpassen können beispielsweise an den Klimawandel. Voraussetzung dafür ist genetische Vielfalt. Ein Beispiel: Der richtige Zeitpunkt zu Blühen ist für Pflanzen überlebenswichtig. Das Merkmal steht unter starkem selektiven Anpassungsdruck und ist genetisch variabel. Forscher:innen konnten nachweisen, dass sich der Blühzeitpunkt von Populationen einer einjährigen Pflanzenart schon nach einem einzigen mehrjährigen Trockenheitsereignis um mehrere Tage verschob und die Art so zukünftigen Trockenheitsereignissen ausweichen kann (Franks et al. 2007). Die Verkleinerung von Populationen, ihre Fragmentierung und Isolierung verringeren die genetische Vielfalt und erhöhen das Aussterberisiko einer Art. Durch langjährige einseitige Züchtung sind auch Kultursorten genetisch oft verarmt. Die genetische Vielfalt ihrer Ursprungsarten oder von alten Landrassen ist deshalb als Quelle für Resistenzgene gegen neue Krankheiten oder andere wichtige Eigenschaften unabdingbar (Stöcklin 2021).
Jede Anlegerin und jeder Investor weiss: Eine breite Diversifikation federt das Risiko ab, plötzlich mit leeren Händen dazustehen. Das gleiche gilt auch für die Natur: Eine hohe Artenvielfalt ist die beste Versicherung, damit uns die Leistungen der Ökosysteme auch in Zukunft in ausreichender Qualität zur Verfügung stehen. Im Unterschied zu den Geldanlagen geht es bei der Artenvielfalt aber nicht um eine mehr oder weniger hohe Rendite, sondern um das Überleben des Menschen. So speichern Bäume in naturnahen Wäldern mit mehreren Baumarten mehr Kohlenstoff und sind widerstandsfähiger gegenüber Schädlingen, Krankheitserregern und Dürren als Bäume in artenarmen Wäldern. Da unsere Sommer mit dem Klimawandel trockener und länger werden, ist eine hohe Biodiversität eine gute Versicherung für die Waldwirtschaft (Ratcliffe et al. 2017). Viele Kulturpflanzen sind vollständig auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. Eine hohe Vielfalt an Bestäubern fördert Stabilität und Qualität der Bestäubung und die Produktivität von Kulturen (IPBES 2016; Fischer 2021).
Für einen Teller gefüllt mit gesund und nachhaltig produzierter Nahrung ist die Biodiversität unerlässlich. Weltweit werden nicht nur zehntausende von Arten als Lebensmittel genutzt; eine höhere Diversität in der landwirtschaftlichen Produktion fördert auch eine Reihe von Ökosystemleistungen. Artenreiche Fruchtfolgen oder Mischkulturen wirken sich positiv auf die Bodenqualität, die Kohlenstoffspeicherung und das Bodenleben aus (Bowles et al. 2016). Ein gesunder Boden wiederum hat eine gute Bodenstruktur und kann mehr Wasser aufnehmen und speichern als ein monoton bewirtschafteter Boden (Gaudin et al. 2015). Das vielfältige Bodenleben recycelt Pflanzennährstoffe im Boden effizienter, trägt zu einer verbesserten Pflanzenernährung und Gesundheit bei und kann somit die Abhängigkeit von Pestiziden und chemischen Düngemitteln reduzieren (Bender et al. 2016). Biodiversität auf und neben der Ackerfläche bietet Lebensraum für Nützlinge, die auf natürliche Weise die Verbreitung von Krankheiten und Schädlingen reduzieren (Tschumi et al. 2015). Die Förderung solch natürlicher Prozesse und Kreisläufe macht die Landwirtschaft von globalen Märkten und Handelsschwankungen unabhängiger, erhöht ihre Nachhaltigkeit und kann die Erntestabilität insgesamt erhöhen (Renard & Tilman 2019; Bender & Heiden 2021).
Biodiversität spielt in vielerlei Hinsicht eine entscheidende Rolle für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Sie besitzt ein grosses präventives und therapeutisches Potenzial, das noch weitgehend unbekannt und ungenutzt ist. Biodiversität hat einen direkten Einfluss auf die Gesundheit, durch die Bereitstellung von Arzneimitteln, gesunden Nahrungsmitteln, sauberer Luft und reinem Wasser, Regulierung des städtischen Mikroklimas oder Abbau von Schadstoffen. Aber auch der Kontakt mit Natur ist gesundheitsfördernd: Die Sterblichkeit, vor allem durch Herz- Kreislauf-Erkrankungen (van den Berg et al. 2015; Gascon et al. 2016) sinkt, und die kognitive Alterung wird verlangsamt (Cherrie et al. 2018). Stress, Müdigkeit, Angst und Depression werden verringert, was zur psychischen Gesundheit und zum Wohlbefinden beiträgt (Gascon et al. 2015). Die Aufmerksamkeit wird verbessert (Faber Taylor und Kuo 2009), das Geburtsgewicht erhöht (Markevych et al. 2014), die Fettleibigkeitsrate gesenkt (Lachowycz & Jones 2011) und die Entwicklung von Kindern positiv beeinflusst (WHO 2016; Martinoli 2021).
Die Natur bringt uns unschätzbare Leistungen. Manche davon kann man sogar in Geldwerten ausdrücken (TEEB 2018). Diese bewegen sich in der Grössenordnung des doppelten Bruttoinlandproduktes der Schweiz (Costanza et al. 2014). Es lohnt sich also durchaus auch ökonomisch, Biodiversität und Ökosystemleistungen zu schützen. Weil die meisten Ökosystemleistungen öffentliche Güter sind, werden sie nicht auf Märkten gehandelt, sondern ganz selbstverständlich gratis genutzt. Dies ist einer der Gründe, warum natürliche Ressourcen übernutzt werden. Die Monetarisierung der Natur ist zwar umstritten, aber kann dennoch helfen, falsche Anreize beim Umgang mit unserem Naturkapital zu beseitigen, indem wir auch ihren ökonomischen Wert stärker in politischen Entscheidungsprozessen berücksichtigen.
Natur ist für viele Menschen auch eine wichtige spirituelle Inspirationsquelle. In den Mythen der Menschheit, zum Beispiel in der Bibel, ist die Erschaffung des Menschen aber auch von Pflanzen und Tieren ein wichtiger Erzählstrang. Der südafrikanische Theologe Ernst Conradie entwirft eine ökologische Anthropologie von der Erde als das Haus Gottes, das der Entfremdung des Menschen von seiner Umwelt gegensteuert (Conradie 2005). Das Bild von «unserem gemeinsamen Haus» ist auch zentral in der Umweltenzyklika Laudatio Si von Papst Franziskus (Franziskus 2015), in der er schreibt: «Da alle Geschöpfe miteinander verbunden sind, muss jedes mit Liebe und Bewunderung gewürdigt werden, und alle sind wir aufeinander angewiesen».
Die Liebe zur Natur, die Begeisterung für bestimmte Arten und die Verbundenheit mit vertrauten Landschaften sind für viele Menschen wichtige Beweggründe, sich für den Schutz der Biodiversität einzusetzen. Menschen können in der zwecklosen Begegnung mit Natur Sinn und Bedeutung erfahren (Gebhard 2015). Die emotionale Bindung an bestimmte Arten oder Landschaften, das Erleben von Schönheit und Erhabenheit und die Kontemplation sind für die Biodiversitätskommunikation von wesentlicher Bedeutung (Eser 2016). Die Fähigkeit zur Naturverbundenheit, „in Verbundenheit mit Tieren, Pflanzen und der ganzen Natur zu leben und pfleglich mit ihnen umzugehen », ist eine menschliche Grundfähigkeit (Nussbaum 1999) und eine unserer wichtigsten Quellen von Lebensglück (Eser 2021).
«Jedes der genannten Argumente ist ausreichend, um die Erhaltung der Biodiversität einzufordern. Alle zusammen sind ein gewaltiger Weckruf.»
Eva Spehn, Forum Biodiversität Schweiz (SCNAT)
DRAMATISCHE VERLUSTE AUF ALLEN EBENEN
Biodiversität ist die Vielfalt des Lebens auf all seinen Ebenen: Die Vielfalt der Ökosysteme (Lebensräume), der Arten (Tiere, Pflanzen, Pilze, Mikroorganismen) und der genetischen Vielfalt, also der Variabilität und Unterschiedlichkeit der Individuen einer Art. Die Biodiversität in der Schweiz ist heute in einem alarmierend schlechten Zustand. Besonders betroffen sind Gewässer und Feuchtgebiete. Hier fällt der Verlust an Biodiversität besonders dramatisch aus.
Zum Stand der Biodiversitätskrise und wie wir damit umgehen
Leider steht es sehr schlecht um die Biodiversität, besonders in und entlang von Süsswasserlebensräumen. Wussten Sie, dass seit 1970 die überwachten Süsswasserpopulationen weltweit um 83 Prozent zurückgegangen sind. Trotz der Dramatik dieser Zahlen könnte man jedoch meinen, das Artensterben sei lediglich eine Randnotiz unserer Zeit. In vielen für die Biodiversität entscheidenden Politikbereichen kommt das Thema kaum vor bspw. in der Raumplanung, dem Verkehrs- und Transportwesen oder der Energie- und Wirtschaftspolitik. Stattdessen fördert die Politik noch das Artensterben durch über 160 Subeventionen, die der Biodiversität schaden.
Vom jahrzehntelangen Rückgang zur Erholung?
Seit 1970 sind die überwachten Süsswasser-Populationen weltweit um 83 Prozent zurückgegangen. Um den Biodiversitätsverlust zu stoppen, müssen wir dringend neue Wege gehen.
Im Schatten des politischen Fokus
Biodiversität betrifft viele Aspekte von Politik wie Energieproduktion oder Pestzide. Dementsprechend sollte das Thema auch in diesen Politikbereichen präsent sein. In der Schweiz ist dies jedoch kaum der Fall.
Biodiversitätsschädigende Subventionen
In der Schweiz gibt es über 160 biodiversitätsschädigende Subventionen. Die finaziellen Fehlanreize im Bereich Landwirtschaft und Wasserkraft schaden auch der Artenvielfalt am und im Gewässer.
Hinschauen, darüber sprechen, handeln
Das Ausmass und die Dramatik des globalen und schweizweiten Artensterbens in den Süsswasserlebensräumen sind mittlerweile bekannt. Trotzdem wird zu wenig darüber gesprochen und noch seltener entschieden gehandelt. Die Politik muss aufwachen und reagieren. Nur so können wir die letzten intakten Gewässerlebensräume der Schweiz erhalten und den zahlreichen bedrohten Tieren und Pflanzen eine Zukunftsperspektive bieten.
Aqua Viva fordert:
Gewässerlebensräume haben in der Vergangenheit stark gelitten. Heute gibt es in der Schweiz nur noch Reste einer ehemals intakten Natur. Wir müssen diese konsequent schützen und dafür sorgen, dass sie als ökologische Infrastruktur wieder einen signifikanten Anteil der Landesfläche ausmachen.
Gewässerlebensräume gelten als die am stärksten bedrohten Lebensräume der Schweiz. Moore haben zwischen 1900 und 2010 82 Prozent ihrer Fläche eingebüsst. Bei den Auen sind es seit 1850 sogar über 90 Prozent. 100 Prozent der Stillgewässer-Lebensraumtypen stehen auf der Roten Liste und bei den Fliessgewässern gelten lediglich noch rund fünf Prozent als mehr oder weniger intakt. Das ist zu wenig und hat zu einem dramatischen Artensterben in und entlang unserer Gewässer geführt. Die Schweiz kann es sich nicht länger leisten, intakte Gewässerlebensräume an die Stromproduktion, die Landwirtschaft oder die Siedlungsentwicklung zu verlieren.
Die Vorgaben des Gewässerschutzgesetzes, insbesondere zur Revitalisierung beeinträchtigter Gewässer, zur Gewässerraumausscheidung, zur Sanierung der Wasserkraft und der Restwassermengen, sind wichtige Bausteine zum Erhalt der Biodiversität – wir müssen sie endlich konsequent umsetzen.
Die Schweiz verfügt seit 1992 über ein ambitioniertes Gewässerschutzgesetz. Doch rund 30 Jahre nach dessen Inkrafttreten fällt die Bilanz ernüchternd aus: Die Umsetzung verzögert sich auf allen Ebenen. Trotzdem gibt es von Seiten der Politik immer wieder Versuche, die gesetzlichen Vorgaben rückgängig zu machen, statt die Umsetzung konsequent zu beschleunigen. Wenn wir beispielsweise nicht mehr Dampf bei der Gewässerrevitalisierung machen, dauert es noch rund 225 Jahre, um das anvisierte Ziel von 4000 Kilometern revitalisierte Fliessgewässerstrecke zu erreichen. Bis dahin dürfte es für Fische, Amphibien und Wasserpflanzen längst zu spät sein.
In Zeiten einer globalen Biodiversitätskrise ist es inakzeptabel, dass mit Steuergeldern Lebensräume zerstört und damit das Artensterben befeuert wird. Der Bund muss seine Subventionen konsequent auf biodiversitätsschädigende Wirkungen prüfen und sie gegebenenfalls abschaffen.
Der Bund finanziert mit Steuergeldern Massnahmen, um den fortschreitenden Biodiversitätsverlust aufzuhalten. Gleichzeitig finanziert er – ebenfalls mit Steuergeldern – weitere Massnahmen, die zusätzlich zur beabsichtigten Wirkung auch schädigende Wirkung auf die Biodiversität haben. Der Bericht Biodiversitätsschädigende Subventionen in der Schweiz von WSL und SCNAT hat über 160 Subventionen und Anreize mit biodiversitätsschädigender Wirkung identifiziert. Einige betreffen direkt oder indirekt auch unsere Gewässer und deren Artenvielfalt. Hierzu zählen vor allem staatliche Mittel zur Unterstützung der Kleinwasserkraft sowie eine Reihe von Agrarsubventionen.
Bei Entscheidungen über die Nutzung unserer Gewässer spielen ökologische Anliegen häufig eine untergeordnete Rolle. Das Thema Biodiversität muss jedoch dieselbe Gewichtung erfahren wie die Interessen der Wasserkraftnutzung, der Landwirtschaft und weiterer Nutzungsformen.
Eine Studie der Eawag und der WSL zeigt, dass das Thema Biodiversität in vielen Politikfeldern kaum vorkommt, beispielsweise bei der Raumplanung, dem Verkehrs- und Transportwesen sowie der Energie- und Wirtschaftspolitik. Geradein diesen Politikfeldern werden jedoch für die Biodiversität folgenreiche Entscheidungen getroffen. Doch nicht nur in der Bundespolitik auch bei zahlreichen Entscheidungen vor Ort finden sich Blinde Flecken in puncto Biodiversität. Besonders wenn Landbedarf eine Rolle spielt oder Massnahmen sich auf die Wasserkraftnutzung auswirken, werden Massnahmen häufig zurückgestellt, obwohl sie ein hohes ökologisches Potential aufweisen.
In den Biotopen von nationaler Bedeutung leben 1060 der rund 3800 bedrohten Tier- und Pflanzenarten der Schweiz. Leider befinden sie sich in schlechtem Zustand.
Statt die gesetzlichen Grundlagen in Frage zu stellen, müssen Bund und Kantone endlich Sorge tragen für die letzten Rückzugsflächen der Biodiversität. 1987 hat das Schweizer Parlament die gesetzlichen Grundlagen für die Biotope von nationaler Bedeutung geschaffen (Art. 18a NHG). Der Bundesrat hat seitdem rund 7100 solcher Biotopobjekte definiert, welche insgesamt knapp 2,3 Prozent der Landesfläche ausmachen. Die Umsetzung liegt seitdem bei den Kantonen. Sie sind unter anderem dafür zuständig, die Flächen zu pflegen oder ökologisch zu sanieren. Leider sind 35 Jahre nach dem Parlamentsbeschluss für nur acht Prozent der Biotopobjekte diese Aufgaben vollständig umgesetzt. Doch statt für eine konsequente Umsetzung zu sorgen, diskutiert das Parlament über den Bau von Energieanlagen in Biotopen von nationaler Bedeutung.
Trotz des besorgniserregenden Zustands der Schweizer Schutzgebiete gibt es immer neue Pläne für die Wasserkraftnutzung in und entlang bislang unberührter Gewässer.
Wenn wir es ernst meinen mit dem Schutz der Biodiversität, müssen wir für jedes Kraftwerk auch ein neues Schutzgebiet ausweisen. Der Runde Tisch Wasserkraft hat sich 2021 unter der Leitung von Bundesrätin a.D. Simonetta Sommaruga und Beteiligung ihres Nachfolgers Albert Rösti auf den Neu- und Ausbau von 15 Wasserkraftwerken zur Erhöhung der Winterstromproduktion geeinigt. Im Gegenzug sollen auch Massnahmen zum Erhalt der Biodiversität ergriffen werden. Während die Wasserkraftprojekte nun politisch als gegeben gehandelt werden oder gar als Dringliche Massnahme im Energiegesetz stehen (Grimsel), ist über die Massnahmen zum Biodiversitätsschutz noch nichts bekannt. Vielmehr ist im November 2022 bekannt geworden, dass es neben diesen 15 bereits eine Liste mit 17 weiteren Kraftwerksprojekten gibt (Beobachter 2022).
Unser Engagement für die Biodiversität
Aqua Viva engagiert sich für Lachs, Fischotter und Co. Wir sorgen für den Rückbau nicht mehr benötigter Schwellen und Wehre und setzen uns ein für die Fischgängigkeit von Wasserkraftwerken, so dass Fische wieder frei wandern können. Und damit bedrohte und in der Schweiz ausgestorbene Arten wie Lachs und Fischotter wieder ausreichend Lebensraum finden, unterstützen wir Gemeinden und Kantone bei der Revitalisierung ihrer Bäche und Flüsse und kämpfen für ausreichend grosse Gewässerraume.
Aqua Viva ist an Gewässern in der ganzen Schweiz für mehr Artenvielfalt unterwegs:
Sanierung Fischgängigkeit KW Wildegg-Brugg
Ort: Wildegg-Brugg
Kanton: Aargau
Gewässer: Aare
Sanierung Fischgängigkeit KW Aarberg
Ort: Aarberg
Kanton: Bern
Gewässer: Aare
Sanierung Fischgängigkeit KW Flumental
Ort: Flumental
Kanton: Bern
Gewässer: Aare
Sanierung Fischgängigkeit KW Ettisbühl
Ort: Malters
Kanton: Luzern
Gewässer: Kleine Emme
Sanierung Fischgängigkeit KW Gebenstorf
Ort: Gebenstorf
Kanton: Aargau
Gewässer: Limmat
Sanierung Fischgängigkeit KW Bremgarten / Bruggmühle
Ort: Bremgarten / Bruggmühle
Kanton: Aargau
Gewässer: Reuss
Sanierung Fischgängigkeit KW Birsfelden
Ort: Birsfelden
Kanton: Basel-Landschaft
Gewässer: Rhein
Sanierung Fischgängigkeit & Schwall-Sunk KW Schiffenen
Ort: Schiffenen
Kanton: Schaffhausen
Gewässer: Rhein
Revitalisierung Rümlang-Oberglatt
Ort: Rümlang-Oberglatt
Kanton: Zürich
Gewässer: Glatt
Revitalisierung Gründelisbach SZ
Ort: Seewen SZ
Kanton: Schwyz
Gewässer: Gründelisbach
Revitalisierung Diessenhofen
Ort: Diessenhofen
Kanton: Thurgau
Gewässer: Rhein
Revitalisierung Sihlwald
Ort: Sihlwald
Kanton: Zürich
Gewässer: Sihl
Revitalisierung Sarneraa
Ort: Alpnach
Kanton: Obwalden
Gewässer: Sarneraa
Revitalisierung Töss
Ort: Winterthur (Reitplatz)
Kanton: Zürich
Gewässer: Töss
PCB-Sanierung Spöl
Ort: Gesamte Fliessstrecke des Spöls bis zum Ausgleichsbecken Ova Spin
Kanton: Graubünden
Gewässer: Spöl
19.03.2021
Der Spöl im Nationalpark ist stark mit PCB belastet. Tiere und Pflanzen leiden unter dem Umweltgift, doch der Kanton Graubünden will nur Teile des Flusses in eingeschränktem Umfang sanieren. Aqua Viva, WWF und Pro Natura haben Beschwerde eingelegt.
News I Medienmitteilung
Restwasser Reichenbachfall
Ort: Schattenhalb
Kanton: Bern
Gewässer: Reichenbach
12.05.2021
Die Stiftung „Kraft & Wasser“ möchte das Kraftwerk Schattenhalb 2 als Museum wieder in Betrieb. Es ist bereits das zweite Vorhaben innerhalb nur weniger Monate, das dem geschützten Reichenbachfall das Wasser abdrehen möchte.
News I Medienmitteilung
11.02.2021
Die BKW möchte für das Kraftwerk Schattenhalb 3 noch mehr Wasser aus dem Reichenbach leiten und bedroht damit das einzigartige Erscheinungsbild des durch Sherlock Holmes bekannten Reichenbachfalls. Gemeinsam mit dem Verein Schattenhalb 4 und dem Grimselverein haben wir dagegen Einsprache erhoben.
News I Medienmitteilung
Neubau Kleinkraftwerk Waldemme
Ort: Flühli
Kanton: Luzern
Gewässer: Waldemme
05.05.2021
An der ungenutzten und intakten Waldemme soll ein neues Kleinwasserkraftwerk entstehen. Unstimmigkeiten in den Projektunterlagen begründen jedoch Zweifel an dessen Wirtschaftlichkeit. Aqua Viva, Pro Natura, WWF und der Fischereiverband Luzern haben Einsprache erhoben.
News I Medienmitteilung
Thurauen (Beurteilungskommission)
Ort: Flaach
Kanton: Zürich
Gewässer: Thur
Thursanierung Wattwil
Ort: Wattwil
Kanton: St. Gallen
Gewässer: Thur
Bewässerungsprojekt Alten
Ort: Alten
Kanton: Zürich
Gewässer: Thur
Nutzungsplanung Sisikon
Ort: Sissikon
Kanton: Uri
Gewässer: Diverse
Gewässerraumausscheidung Wilchingen
Ort: Wilchingen
Kanton: Schaffhausen
Gewässer: diverse
Gewässerraumausscheidung Gächlingen
Ort: Gächlingen
Kanton: Schaffhausen
Gewässer: diverse
Gewässerraumausscheidung Ramsen
Ort: Ramsen
Kanton: Schaffhausen
Gewässer: diverse
21.01.2021
Die Pläne zur Gewässerraumausscheidung der Gemeinde Ramsen verfehlen die gesetzlich vorgegebenen ökologische Ziele. Aqua Viva hat daher Rekurs eingereicht.
News I Medienmitteilung
Gewässerraumausscheidung Hemishofen
Ort: Hemishofen
Kanton: Schaffhausen
Gewässer: diverse
Gewässerraumausscheidung Hallau
Ort: Hallau
Kanton: Schaffhausen
Gewässer: diverse
Gewässerraumausscheidung Trasadingen
Ort: Trasadingen
Kanton: Schaffhausen
Gewässer: diverse
Gewässerraumausscheidung Schleitheim
Ort: Schleitheim
Kanton: Schaffhausen
Gewässer: diverse
Nutzungsplanung Lachen
Ort: Lachen
Kanton: Schwyz
Gewässer: Diverse
Zonenplanung Einsiedeln
Ort: Einsiedeln
Kanton: Schwyz
Gewässer: diverse
Züribahn
Ort: Zürich
Kanton: Zürich
Gewässer: Zürichsee
Aussbauprojekt Flug- und Wasserflugplatz Wangen
Ort: Wangen
Kanton: Schwyz
Gewässer: Zürichsee
Nutzungsplanung Nuoler Ried & Entwicklung Nuolen See
Ort: Nuolen
Kanton: Schwyz
Gewässer: Zürichsee
Bauprojekt am Nuolen See
Ort: Nuolen
Kanton: Schwyz
Gewässer: Zürichsee
Restwassersanierung Kraftwerk Wunderklingen
Ort: Kraftwerk Wunderklingen
Kanton: Schaffhausen
Gewässer: Wutach
Neubau Kraftwerk Eschholzmatt-Marbach
Ort: Eschholzmatt-Marbach
Kanton: Luzern
Gewässer: Waldemme
Konzession und Restwasser Kraftwerkskette Schöntal – Kollbrunn – Sennhof
Ort: Schöntal – Kollbrunn – Sennhof
Kanton: Zürich
Gewässer: Töss
Bau Gewächshaus
Ort: Neftenbach
Kanton: Zürich
Gewässer: Töss
Neukonzession / Neubau Kratwerk Tuurau
Ort: Bischofszell
Kanton: Thurgau
Gewässer: Thur
Begleitgruppe Ökofonds und Ersatzmassnahme Kraftwerk Bürglen
Ort: Bürglen
Kanton: Thurgau
Gewässer: Thur
Neubau Kraftwerk Boltigen
Ort: Boltigen
Kanton: Bern
Gewässer: Simme
Neukonzession Kraftwerk Etzelwerk
Ort: Altendorf
Kanton: Schwyz
Gewässer: Sihlsee
Sanierung Fischwanderung Kraftwerk Sarneraa / Wichelsee
Ort: Kraftwerk Sarneraa / Wichelsee
Kanton: Obwalden
Gewässer: Sarneraa
Hochwasserschutzprojekt entlang der Sarneraa bei Sarnen
Ort: Sarnen
Kanton: Obwalden
Gewässer: Sarneraa
Hochwasserschutzprojekt entlang der Sarneraa bei Alpnach
Ort: Alpnach
Kanton: Obwalden
Gewässer: Sarneraa
Restwassersanierung Kraftwerk Rheinau
Ort: Rheinau
Kanton: Zürich
Gewässer: Rhein
Neukonzession Kraftwerk Kembs
Ort: Kraftwerk Kembs
Kanton: Basel Stadt
Gewässer: Rhein
«naturmade star» und Sanierung Fischwanderung Kraftwerk Schaffhausen
Ort: Schaffhausen
Kanton: Schaffhausen
Gewässer: Rhein
Sondernutzungsplan Deponie Neufeld
Ort: Deponie Neufeld
Kanton: St. Gallen
Gewässer: Rhein
Neukonzession Kraftwerk Reckingen
Ort: Reckingen
Kanton: Aargau
Gewässer: Rhein
Sanierung Fischwanderung Kraftwerk Bremgarten-Zufikon
Ort: Kraftwerk Bremgarten-Zufikon
Kanton: Aargau
Gewässer: Reuss
Neukonzessionierung Kraftwerk Dreieck
Ort: Kraftwerk Dreieck
Kanton: Zug
Gewässer: Murg
Neukonzession Kraftwerk Muotatal
Ort: Kraftwerk Muotatal
Kanton: Schwyz
Gewässer: Muota
Neukonzession Kraftwerk Frauental
Ort: Kraftwerk Frauental
Kanton: Zug
Gewässer: Lorze
Hochwasserschutz entlang der Limmat bei Schlieren
Ort: Schlieren
Kanton: Zürich
Gewässer: Limmat
Neukonzession Kraftwerk Letten
Ort: Zürich
Kanton: Zürich
Gewässer: Limmat
Revitalisierung Leewasser und Klostergraben
Ort: Brunnen
Kanton: Schwyz
Gewässer: Leewasser / Klostergraben
Hochwasserschutzprojekt entlang des Krebsbachs
Ort: Freienbach
Kanton: Schwyz
Gewässer: Krebsbach
Sanierung Fischwanderung Kraftwerk Thorenberg
Ort: Thorenberg
Kanton: Luzern
Gewässer: Kleine Emme
Neukonzession Kraftwerk Emmenweid
Ort: Kraftwerk Emmenweid
Kanton: Luzern
Gewässer: Kleine Emme
Neubau Wasserkraftwerk Hondrich
Ort: Wasserkraftwerk Hondrich
Kanton: Bern
Gewässer: Kander
Bauprojekt Grundbach in Bargen
Ort: Bargen
Kanton: Schaffhausen
Gewässer: Grundbach
Glatt- und Glattuferaufwertung
Ort: Dübendorf
Kanton: Zürich
Gewässer: Glatt
Glattuferweg
Ort: Zürich
Kanton: Zürich
Gewässer: Glatt
Gewässerraumausscheidung Feusisberg
Ort: Feusisberg
Kanton: Schwyz
Gewässer: Gewässer in Feusisberg
Hochwasserschutzprojekt in der Räbloch Schlucht
Ort: Räbloch Schlucht
Kanton: Bern
Gewässer: Emme
Neukonzession / Neubau Kraftwerk Tuurau
Ort: Bischofszell
Kanton: Thurgau
Gewässer: Thur
Sanierung Fischwanderung Kraftwerk Biberist
Ort: Biberist
Kanton: Solothurn
Gewässer: Emme
Schutz von Steinkrebsen im Chräbslibach
Ort: Freienbach
Kanton: Schwyz
Gewässer: Chräsblibach
Bewässerungsprojekt Bibertal
Ort: bei Thayngen
Kanton: Schaffhausen
Gewässer: Biber
Aufwertung Südufer Alpnachersee
Ort: bei Alpnachstad
Kanton: Obwalden
Gewässer: Alpenachersee
Neukonzession Kraftwerk Gösgen
Ort: Gösgen
Kanton: Solothurn
Gewässer: Aare
Sanierung Fischwanderung Wasserkraftwerk Mühleberg
Ort: Mühlenberg
Kanton: Bern
Gewässer: Aare
Sanierung Fischgängigkeit am Wasserkraftwerk Bannwil
Ort: Bannwil
Kanton: Bern
Gewässer: Aare
Temperatureinleitung Atomkraftwerk Beznau
Ort: Beznau
Kanton: Aargau
Gewässer: Aare
Hochwasserschutz Aabach bei Uster
Ort: Uster
Kanton: Zürich
Gewässer: Aabach
Neukonzession Kraftwerk Aarau
Ort: Aarau
Kanton: Aargau
Gewässer: Aare
Neukonzession & Sanierung Fischgängigkeit Kraftwerk Rupperswil-Auenstein
Ort: Auenstein
Kanton: Aargau
Gewässer: Aare
Längsvernetzung Aabach bei Horgen
Ort: Horgen
Kanton: Zürich
Gewässer: Aabach
Zum Weiterlesen
Faszinierende Vielfalt
Hinter dem Begriff Biodiversität verbirgt sich eine faszinierende Vielfalt spannendester Geschichten zu Wasserspinne, Bachneunauge und Co. In aqua viva 4/2022 erzählen wir einige davon. Ausserdem berichten wir über die enorme Bedeutung und Bedrohung der Artenvielfalt am und im Gewässer.
Zustand unbefriedigend
Das BAFU berichtet über den Zustand der biologischen Vielfalt in der Schweiz und zeigt die wichtigsten Trends. Fazit: Die Biodiversität in der Schweiz ist in einem unbefriedigenden Zustand ist
→ BAFU (2017): Biodiversität in der Schweiz: Zustand und Entwicklung.
5 % intakte Flüsse und Bäche
Der WWF hat untersucht, wie gesund die Schweizer Flüsse und Bäche sind. Leider mit traurigem Ergebnis: Nur weniger als 5 % sind noch intakt und als «äusserst wertvoll» zu bezeichnen.
Was wir tun können
Das Forum Biodiversität zeigt, dass die Schweiz noch grosse Potentiale hat, dem Biodiversitätsverlust entgegenzuwirken und die Leistungen der Natur zu bewahren.