Bild: © Aqua Viva
Wo alles Begann
In Dachsen aufgewachsen, habe ich den Rhein zwischen dem Rheinfall und Rheinau als Wildwasser in Erinnerung. Es gab von Gischt umströmte Felsen und im Mettli zog sich gut sichtbar eine Schwelle quer über den Rhein. Der Bau des Kraftwerks zwischen 1952 und 1957 war für uns 10 bis 14-jährige Buben eine sonntägliche Bereicherung. Mit dem Velo fuhren wir nach Rheinau und schlichen uns verbotenerweise auf die Grossbaustelle. Deren riesige Ausmasse und die ganze Technik faszinierten uns ungemein. Über die Auswirkungen auf Natur und Landschaft machten wir uns keine Gedanken. Damals dachte ich nicht im Traum daran, dass der Kraftwerkbau mein persönliches Schicksal während fast 20 Jahren bestimmen würde.
Aktiv im Natur- und Landschaftsschutz wurde ich erst Jahrzehnte später als Mitbegründer des örtlichen Naturschutzvereins. Ich hegte zudem den Wunsch, meinen technischen Beruf an den Nagel zu hängen und vollamtlich für Natur und Landschaft tätig zu werden. Ich hatte unglaubliches Glück und wurde Geschäftsführer des Rheinaubundes, welcher heute vor 60 Jahren aus dem Rheinau-Komitee hervorgegangen ist.
Entsprechend der geographischen und rechtlichen Lage und der historischen Entwicklung beschäftigte das Kraftwerk Rheinau lokale, kantonale, eidgenössische und internationale Instanzen. Die Beeinträchtigung von Kloster und Rheinfall führte zu einem derartigen Entrüstungssturm, wie dies bei keinem anderen Bau einer technischen Anlage in unserem Land je der Fall gewesen war. Der Kampf erreichte seinen Höhepunkt in der Abstimmung über die Volksinitiative zum Schutz der Stromlandschaft Rheinfall-Rheinau am 4./5. Dezember 1954. Die Abstimmung fiel eindeutig zugunsten der Kraftwerkbefürworter aus.
Der Kampf gegen das Kraftwerk Rheinau war hingegen nicht vergebens. Er erhielt seine Bedeutung vor allem dadurch, dass er wichtige staats-und völkerrechtliche sowie staats- und kulturpolitische Grundsatzfragen aufwarf, welche im Falle Rheinau sozusagen exemplarisch durchexerziert wurden. Damit war der Grundstein gelegt für die Einführung des Verfassungsartikels zum Natur- und Heimatschutz vom 27. Mai 1962 und des entsprechenden Gesetzes.
Aus dem «Überparteilichen Komitee zum Schutz der Stromlandschaft Rheinfall-Rheinau» entstand der «Rheinaubund» und jetzt sind wir «Aqua Viva», eine professionelle und schlagfertige Gewässerschutzorganisation von nationaler Bedeutung. Ich bin sehr froh und glücklich darüber, dabei gewesen zu sein!
Ruedi Schneider
Ruedi Schneider war zwischen 1990 und 2009 Geschäftsführer des Rheinaubunds. Er sorgte für dessen konsequente Ausrichtung auf den Gewässerschutz und etablierte mit Kathrin Jagg das Umweltbildungsprogramm.