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Bild: © Aqua Viva

Restwasser: Flüsse brauchen Wasser

Durch den Klimawandel sowie den wachsenden Energiebedarf stehen wir vor der Herausforderung, ausreichend Wasser für unsere Fliessgewässer zu sichern.  Wasserentnahmen zur Energiegewinnung oder landwirtschaftlichen Bewässerung dürfen unsere Bäche und Flüsse nicht weiter schädigen. Zum Schutz unserer Gewässer und ihrer einzigartigen Artenvielfalt müssen die gesetzlichen Restwasserbestimmungen endlich konsequent umgesetzt werden, statt immer neue Ausnahmen und Aufweichungen zu schaffen.  

Heute werden gemäss BFE schweizweit 99,5 Prozent des Wasserkraftpotentials genutzt. An über 1400 Stellen leiten Kraftwerke zwischen 88 und 94 Prozent des Wassers zur Stromproduktion in die Kraftwerkskanäle aus. In den Flussläufen und für die Bedürfnisse der Natur bleiben durchschnittlich nur sechs bis zwölf Prozent des Wassers. Dazu kommt der steigende Bedarf der Landwirtschaft zur Bewässerung von Kulturen. Die ökologischen Auswirkungen sind enorm: Bäche und Flüsse mit zu geringen Restwassermengen überhitzen schneller und die Wasserqualität leidet. Diese besorgniserregenden Entwicklungen verleihen der konsequenten Umsetzung der gesetzlichen Restwasserbestimmungen für viele Tier- und Pflanzenarten eine lebenswichtige Bedeutung.

Zeit zu handeln

1975 verankerte ein Volksentscheid angemessene Restwassermengen in der Bundesverfassung (Artikel 76). Diesen Verfassungsauftrag erfüllte der Bund erst 1991 auf Druck einer Volksinitiative mit der Verabschiedung der dritten Fassung des Gewässerschutzgesetzes. Der Bundesrat bezeichnete die gesetzlich vorgeschriebenen Restwassermengen in seiner damaligen Botschaft zur Revision des Gewässerschutzgesetzes als «Existenzminimum für die wichtigsten vom Gewässer abhängigen Lebensgemeinschaften».

Seitdem bestimmen die Kantone bei der Konzessionierung von Wasserkraftanlagen ausreichende Restwassermengen und sind verpflichtet bei laufenden Konzessionen unangemessene Wasserentnahmen zu sanieren. Ursprünglich hatten die Kantone hierfür bis 2007 Zeit. Das Parlament verlängerte die Frist 2003 um fünf Jahre bis 2012. Heute gibt es jedoch immer noch Kantone und Wasserkraftwerke, die ihre gesetzlichen Pflichten nicht umgesetzt haben. So werden bspw. am Kraftwerk Rheinau weiterhin bis zu 99 Prozent des Flusswassers in den Kraftwerkskanal ausgeleitet.

Wo der Rhein zum See wird

Die Folgen fehlenden Restwassers sowie der ausbleibenden Restwassersanierungen der Wasserkraft veranschaulicht das Kraftwerk Rheinau. Gemäss Konzession dürfen die Betreiber bis zu 400 Kubikmeter pro Sekunde für die Stromproduktion ausleiten. Der ursprünglichen Rheinstrecke bleiben fünf Kubikmeter pro Sekunde. Dies ist gerade einmal rund ein Prozent des gesamten Flusswassers. Um einen Mindestwasserstand zu garantieren, wird die Restwasserstrecke durch zwei Hilfswehre aufgestaut. Der Rheinabschnitt hat dadurch seinen Charakter als Fliessgewässer nahezu vollständig eingebüsst. Typische Flussfische wie Äsche, Barbe und Nase sind aufgrund der fehlenden Dynamik und Strukturvielfalt fast gänzlich verschwunden. Kraftwerke ohne Restwassersanierung produzieren zudem mehr Strom und erzielen damit zusätzlichen Gewinn auf Kosten der Natur. Dies stellt eine Wettbewerbsverzerrung dar und benachteiligt jene Betriebe und Kantone, die fortschrittlich die Restwassersanierung bearbeitet und entschädigt haben.


Mehr Restwasser für die Biodiversität in Schweizer Flüssen

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Einfach erklärt: Restwasser

Was bedeutet eigentlich Restwasser?

Restwasser meint jene Wassermenge die nach einer Wasserentnahme im natürlichen Flussbett verbleibt. Die Art der Wasserentnahme spielt dabei zunächst keine Rolle: Kühlung, Bewässerung, Wasserkraftnutzung etc. Besonders problematisch sind Wasserentnahmen häufig im Kontext der Wasserkraftnutzung, da bei Ausleitkraftwerken bis zu 99 Prozent des Flusswassers entnommen werden. 

Ausleitkraftwerke leiten das Flusswasser mittels eines Wehrs über einen Oberwasserkanal zum Maschinenhaus mit den Turbinen (siehe Grafik unten: schmaler Kanal). Ist das Wasser durch die Turbine gelaufen, wird es über den Unterwasserkanal wieder an den Fluss zurückgegeben. Dadurch reduziert sich der Abfluss des eigentlichen, natürlichen Flusslaufs zwischen Wasserentnahme und Wasserrückgabe – die sogenannte Restwasserstrecke.

Warum ist Restwasser wichtig?

Fliessgewässer können ihre vielfältigen Funktionen nur erfüllen, wenn sie ausreichend Wasser führen. Fische benötigen eine Mindest-Wassertiefe, um sich frei bewegen und fortpflanzen zu können. Wird diese unterschritten, geht der Flussabschnitt als Lebensraum verloren.

Ungenügende Wassertiefen beeinträchtigen zudem die Fischwanderung, die Vernetzung von Lebensräumen und führen zur stärkeren Erwärmung des Wassers. Fische und andere Wasserbewohner geraten dadurch zusätzlich unter Stress. Die Restwassermenge beeinflusst auch die Wasserqualität und die Speisung des Grundwassers, welches vielerorts als Trinkwasser genutzt wird. Zudem verlieren Flussabschnitte mit zu wenig Restwasser ihre Attraktivität als Erholungsraum.

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