Kleinere und mittelgrosse Bäche besonders betroffen
Die häufigen und teilweise über Wochen anhaltenden Überschreitungen von gesetzlichen Grenzwerten und von ökotoxikologisch hergeleiteten Qualitätskriterien sind leider Tatsache (Spycher et al., 2019; Doppler et al., 2017, Wittmer et al., 2014). Damit muss von negativen Auswirkungen auf die Gewässerlebewesen ausgegangen werden. Besonders betroffen sind laut Untersuchungen des Wasserforschungsinstituts Eawag kleinere und mittelgrosse Bäche mit intensiver landwirtschaftlicher Nutzung im Einzugsgebiet. In den meisten Proben wurden 30 oder mehr verschiedene Wirkstoffe gemessen (ebd.). Bodenhydrologe Christian Stamm, der an mehreren Pestizidstudien mitgearbeitet hat, wurde von den Ergebnissen überrascht: «Wir waren sehr erstaunt über die Anzahl der Wirkstoffe, die wir in den Gewässern fanden und über die Höhe der Konzentrationen. Die Situation ist leider schlechter als man vor einigen Jahren gedacht hat.»Für die Pestizide ist die Situation aber nicht nur wegen der fehlenden Zeitreihen schwer einzuschätzen, sondern auch weil ständig neue Chemikalien auf den Markt kommen und sich parallel dazu auch die Analysemethoden verändern.
Allein von 2005 bis 2014 wurde rund 100 Wirkstoffen für Pflanzenschutzmittel die Zulassung entzogen. 70 neue Pflanzenschutzmittel wurden zugelassen, darunter die wegen ihrer Wirkung auf Bienen umstrittenen Neonicotinoid- Insektizide (Wittmer et al., 2014). Der Spruch, allein die Dosis mache aus, ob etwas giftig sei, lässt einen Aspekt weg: Entscheidend ist nicht nur, ob jährlich mehr oder weniger Tonnen Pestizide eingesetzt werden, sondern wie giftig die Wirksubstanzen für die Gewässerorganismen oder schlimmstenfalls sogar für die Menschen sind (mehr dazu siehe Seite 20/21). Untersuchungen der Universität Bern im Sediment des Moossees decken auf, dass sowohl die Anzahl der Pflanzenschutzmittel als auch ihre Konzentration seit den 1960er Jahren massiv zugenommen haben. Die höchsten Werte wurden in den jüngsten Schichten gefunden (Chiaia-Hernández et al., 2020). «Unsere Studie belegt, dass die Qualität der Sedimente als Lebensraum seit den 1980er Jahren permanent ungenügend ist», sagt Aurea Chiaia-Hernández, welche das Projekt geleitet hat.